Rezension: Papyrus

In Gesprächen über Schreibprogramme kommt man um Papyrus nicht herum. Neben Microsoft Word und Scrivener ist es die Software schlechthin. Hochgelobt werden vor allem der Duden-Korrektor, die Stilanalyse sowie die Fähigkeiten beim Plotten.

Der Beispieltext der Bilder ist aus einer der frühesten Fassungen meines Romans, als ich etwa 14 Jahre alt war. Man vergebe mir daher den einfachen Schreibstil ;-)

Optik

In der Optik schließt Papyrus für mich leider nicht gut ab. Die Symbole erinnern an Word 2013, die Abteilung "Klemmbrett" wirkt ebenfalls eher stümperhaft, sei es der Hintergrund, seien es die Notizzettel auf dem Klemmbrett selbst. Ganz besonders die Charakterbögen wirken lieblos und schlecht formatiert, sodass mir die Arbeit damit schwer fällt.

Generell ist Papyrus extrem unübersichtlich - in einer doppelreihigen Leiste von unbeschrifteten Symbolen steht eins neben dem anderen. Erst wenn man mit dem Cursor auf einem Symbol verharrt, erscheint eine kurze Beschriftung. Wenn man ein wenig mit Papyrus gearbeitet hat, mag sich diese Unsicherheit legen, ganz generell vermisse ich aber die optischen Unterteilungen von Optionsgruppen, wie man sie etwa bei Word oder Scrivener findet (etwa Schriftgröße, Kursiv, Fett und Unterstrichen unter dem Punkt "Schriftart"). Zu viele rätselhafte Symbole liegen auf einem Haufen, es scheint zwar eine Logik zu geben, aber insgesamt ist die Aufteilung wenig intuitiv. Schade vor allem deswegen, weil auf der rechten Seite noch jede Menge Platz wäre, sodass man die Felder weit freundlicher hätte anordnen können.

Dennoch muss man Papyrus zugutehalten, dass die farbliche Bearbeitung der Symbole ausgefeilter als bei anderen Programmen ist, wenn es auch teilweise wirkt als seien mehrere unterschiedliche Iconstile miteinander vermischt worden (auffallend z.B. am Symbol des Mundes direkt neben dem Gespenst). Zusätzlich ist es möglich, unter verschiedenen voreingestellten Symbolleistensets zu wählen, sodass man jeweils die perfekte Auswahl an Funktionen zur Verfügung hat, wenn man beispielsweise schreibt, überarbeitet oder einen wissenschaftlichen Text schreibt.

Einen Pluspunkt bekommt das Programm außerdem für die unauffällige farbliche Markierung im Text von unbekannten Wörtern oder grammatikalischen Schwächen. Beim Schreiben kann man diese mühelos überlesen, beim Korrigieren findet man sie dennoch schnell. 

Optik des Programms
Optik des Programms

Romanplanung

Da ich einzig die Demo-Version des Programms heruntergeladen habe, ist es schwierig, die Plotting-Funktionen voll auszutesten. Dennoch kann ich bis zu dieser Stelle sagen, dass Papyrus andere Programme da sicherlich übertrifft. Neben einer Art Mind-Map für die Handlung kann man auch Charakterbögen und einen Zeitstrahl anlegen. Zusätzlich gibt es eine Datenbank für Rechercheergebnisse. Nicht zu vergessen außerdem die Notizzettel. 

 

Die Funktionen sind also in der Theorie vielfältig, in der Praxis bin ich auch hier zwiegespalten. Wirklich sinnvoll finde ich eigentlich nur die Notizzettel, den Zeitstrahl und das Denkbrett, da diese die Arbeit sehr erleichtern.

Die Notizen kann man direkt neben seinem Text frei anordnen und farblich unterschiedlich gestalten. Ist die erste Notizseite voll oder braucht man Notizen zu einem neuen Thema, kann man oben einen neuen Reiter mit einem zweiten sogenannten Klemmbrett öffnen und dort weitere Notizen anbringen.

 

Über den Zeitstrahl kann ich kein stichhaltiges Urteil abgeben, da mir hierfür die Erfahrungen fehlen, aber auch diesen schätze ich als recht nützlich ein, wenn auch optisch wenig ansprechend und unübersichtlich.

 

Das Denkbrett, also die Mind-Map, ist mit Abstand die größte Stärke. Man kann seine Ideen in eingerahmten Textblöcken verschriftlichen und diese völlig frei hin und her schieben. Außerdem können die Textblöcke nach Farbe, Form und Schriftgröße beliebig angepasst werden. Ein zusätzlicher Bonus sind die Symbole, die unter einer Vielzahl ausgewählt und in der oberen linken Ecke eines Textblockes oder an einem Verbindungspfeil angebracht werden können. 

Eine kleine negative Anmerkung: Leider scheint es nur ein Denkbrett zu geben, was bei komplexen Romanprojekten doch recht schade ist.

 

Nicht so gut schneiden in meiner Bewertung die Recherche- und die Figurenfunktionen ab. Beide sind an sich gute Ideen - bei ersterem kann man all seine Recherchen anordnen und so strukturieren, dass man die Quelle rasch wiederfindet; bei letzterem kann man sämtliche Figuren auflisten und mithilfe eines Charakterbogens kurz festhalten. Allerdings finde ich in beiden Fällen die Optik dermaßen grässlich, dass mir eine vernünftige Arbeit damit schwerfallen würde. Die Fenster für die Eingabe sind klein und insgesamt wirkt alles zusammengepresst, sodass man Eindruck gewinnt, man müsse sich möglichst kurz fassen. Diese Form von "Druck" verhindert bei mir das Entwickeln kreativer Ideen.

Textbearbeitung

Ein großes Werbekriterium bei Papyrus ist seine angebliche Stärke bei der Textverarbeitung. Auch hier bin ich gespaltener Meinung. Ganz zweifellos gehört es darin zu den stärkeren Programmen. Dennoch hat mich insbesondere die berühmte Stilanalyse nicht überzeugt. 

Stilanalyse
Stilanalyse

Sicherlich ist die Papyrus-Stilanalyse nicht dafür gedacht, sämtliche Vorschläge zu übernehmen. Vielmehr stellt es eine Anregung dar, wohin man überall sein Augenmerk legen kann.

Dennoch fand ich es schwierig, bei all diesen Markierungen noch den Überblick bzw. auch nur einen neutralen Blick zu bewahren. Sämtliche "und"s werden eingerahmt und mit dem Vorschlag versehen, zwei kürzere Sätze daraus zu machen. Das Aufspüren von Wortwiederholungen ist zwar äußerst nützlich, allerdings liegen diese teilweise so weit auseinander, dass sich jede Korrektur erübrigt. Füllwörter werden radikal durchgestrichen, wobei in vielen Fällen schlicht der Sinn des ganzen Satzes verloren geht. Adjektive und Adverbien werden ebenfalls rigoros markiert, als wäre die Verwendung dieser Worte per se schlecht.

Aufgrund dieser schieren Menge an Vorschlägen, die zum allergrößten Teil unsinnig sind, kann ich der Papyrus-Stilanalyse nur wenig abgewinnen. Es wäre eine enorme Arbeit, sich durch all die Kennzeichnungen zu kämpfen, gleichzeitig halte ich den Mehrwert für fragwürdig.

 

Eine Stärke dagegen ist der Duden-Korrektor. Farblich unauffällig, aber für ein Programm sehr präzise zeichnet er Rechtschreib- und Grammatikfehler an. Noch besser ist die Synonymsuche, bei der unwahrscheinlich viele Synonyme sehr übersichtlich und thematisch sortiert angezeigt werden. Ein weiterer Pluspunkt ist die Funktion, nur die wörtlichen Reden einzublenden und damit gezielt die Gespräche im Roman auf ihr Gehalt zu überprüfen. Weniger überzeugend ist dagegen der Leuchtstift, der zwar so gestaltet ist, dass das Anstreichen von Zeilen regelrecht Spaß macht, andererseits aber auch nur eine Farbe zur Verfügung steht. Gerade bei der Textarbeit finde ich diese Armut sehr unpraktisch.

Fazit

Papyrus bietet ein sehr großes Maß an praktischen Funktionen, die man schnell zu lieben lernt. Angesichts des hohen Preises von knapp 180€ sollte der Kauf dennoch wohlüberlegt sein. Für mein Empfinden erleichtert Papyrus die Arbeit, indem es viele Möglichkeiten in einem Programm bündelt, gleichzeitig ist es aber nicht so, als könnte man sich diese Funktionen ohne Papyrus nicht anderweitig holen. Es gibt Online-Charakterbögen, kostenlose Mind-Mapping-Programme (auch wenn das von Papyrus einmalig ist; allerdings auch uneingeschränkt in der Demoversion erhalten) und die Ortographie kann man notfalls noch immer mit den Rechtschreibprogrammen auf dem eigenen Computer (beispielsweise bei Word) korrigieren. Auch für die Synonymsuche gibt es genügend Seiten im Internet, bei denen man zwar händisch Wort für Wort eingeben muss, die dafür aber eben kostenlos sind.

In meinen Augen ist das auch der springende Punkt: Papyrus bietet Bequemlichkeit und ist praktisch, aber es ist für einen Autor keineswegs notwendig. Hierfür so viel Geld hinzublättern, sehe ich als völlig übertrieben und werde es für meinen Teil auch nicht machen, auch wenn auf der Seite von "nur 179,-€" die Rede ist.

Stärken

  • Klemmbrett (Notizzettel)
  • Denkbrett (Mind-Map)
  • Zeitstrahl
  • Duden-Korrektor + Synonymsuche
  • Wörtliche Reden hervorheben

Schwächen

  • Immenser Preis von 179€
  • Unübersichtlichkeit der Funktionen
  • Unübersichtlichkeit der Projektansicht
  • Schlechte Optik von Charakterbögen und Recherche-Datenbank

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